Kleine Zeitung, 01. November 2023
Daniela Bachal

Frage & Antwort mit Rechtsanwalt Dr. Stefan Schoeller

1. Was ist unter digitalem Nachlass zu verstehen?

Antwort: Gemeint ist die Summe aller vererblichen digitalen Inhalte, wie der Grazer Rechtsanwalt Stefan Schoeller erklärt. „Darunter fallen sowohl das Eigentum an Datenträgern, darauf befindliche Software und Daten, als auch Vertragsverhältnisse mit Online-Dienstleistern, Nutzungsrechte an digitalen Fotos oder auch Rechte an Domains oder Websites.“

2. Was geschieht nach unserem Tod mit unseren Profilen in sozialen Netzwerken?

Antwort: Die Mitgliedschaft bei sozialen Medien erlischt nicht automatisch. Je nach Nutzungsbedingungen bleibt ein Account oder Channel auf Instagram und Co. in der bisherigen Form erhalten oder das Konto wird, wie es bei Facebook geschieht, in den „Gedenkzustand“ versetzt. Ein solcher Gedenkzustand soll Angehörigen oder Freunden die Möglichkeit geben, durch das Posten auf der Pinnwand Erinnerungen zu teilen. Die sonstige Nutzung des Kontos ist jedoch drastisch eingeschränkt. Nutzer können aus eigenem Willen mit dem Plattformbetreiber auch vereinbaren, dass ihre Daten nach dem Tod ersatzlos gelöscht werden.

3. Kann man sein Nutzerprofil tatsächlich jemandem vererben?

Antwort: Dazu muss man wissen, dass für die Speicherung eines digitalen Lebens rechtlich gesehen ein Vertragsverhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Anbieter der Dienstleistung besteht. „Es handelt sich um einen Dienstleistungs- oder Kaufvertrag, oftmals in der Form eines Verbrauchervertrages. Alle diese Verträge sind grundsätzlich vererblich, wenn sie einen Vermögenswert darstellen und nicht auf eine Person höchstpersönlich zugeschnitten sind.“

4. Ein Nutzerprofil stellt einen Vermögenswert dar?

Antwort: Ja, weil man bei einer wirtschaftlichen Betrachtung mit seinen Daten bezahlt. „Die Ausrede, dass Facebook und Co. die Nutzung ihrer Plattformen gratis zur Verfügung stellen, ändert daran nichts. Nutzerprofile fallen – wie auch analoge Nachlasspositionen ohne Vermögenswert, etwa Fotos oder Tagebücher – in den Nachlass“, sagt der Anwalt. Die Nutzungsverträge mit den Plattforminhabern sind auch deshalb übertragbar, weil sie nicht mit jemandem höchstpersönlich abgeschlossen sind. Der Anbieter kennt die wahre Identität seines Kunden meist gar nicht, und der konkrete Kunde ist austauschbar. „Der Vertrag mit dem Betreiber des sozialen Netzwerks geht auf die Erben ebenso über wie etwa Nutzungsverträge über ein E-Mail-Konto, eine Cloud, einen Online-Marktplatz, eine Domain, einen Online-Blog, ein Vermögen in einem Online-Computerspiel oder noch nicht verbrauchte In-App-Käufe.“

5. Gibt es rechtlich einen Unterschied zwischen analogem und digitalem Nachlass?

Antwort: „Nein“, sagt Schoeller. Der Gesetzgeber hat keine Sonderregeln für den digitalen Bereich geschaffen. „Daraus lässt sich schließen, dass private Inhalte auf fremden Servern genauso wie analoge Tagebücher Teil der Verlassenschaft sind und auf die Erben übergehen.“

6. Plattformbetreiber versuchen häufig, die Erbenrechte in vordefinierten allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beschneiden. Gibt es dagegen eine Handhabe?

Antwort: Vor allem aus Konsumentensicht, aber auch aufgrund des Eigentumsrechts von Unternehmen, ist laut Schoeller davon auszugehen, dass solche einseitigen Bestimmungen als gröblich benachteiligend zu qualifizieren sind und für nichtig erklärt werden.

7. Wie sollte man seinen digitalen Nachlass also am besten regeln?

Antwort: Juristen raten dazu, im Zuge der Testamentserrichtung den Erben mitzuteilen, welche Accounts vorhanden sind und was damit geschehen soll. Zugangsdaten können bei einem Rechtsanwalt oder Notar oder in einem Bankschließfach hinterlegt werden.

8. Haben Erben einen Anspruch auf Auskunft von digitalen Plattformen?

Antwort: Aus Schoellers Sicht kann der Erbe, der weiß, bei welcher Plattform der Verstorbene seinen Account hatte, von der Plattform die Zugangsdaten verlangen. Einen Auskunftsanspruch hat auch der Gerichtskommissär bzw. Notar, der mit der Verlassenschaftsabwicklung betraut wurde.

Kleine Zeitung, 27. September 2022
Daniela Bachal

Ein Adelsprädikat im Namen macht schon etwas her. Warum man damit 20.000 Kronen Strafe riskiert und womit sonst zu rechnen ist.

In den vergangenen Wochen war es wieder besonders lebendig: das (nicht nur) österreichische Interesse an Königshäusern und die Begeisterung für den alten und jungen Adel. Und manch eine*r hat dabei wohl wehmütig an die Zeiten gedacht, als man auch hierzulande noch mit einem „von“ und „zu“ im Namen reüssieren konnte. Seit dem Adelsaufhebungsgesetz vom 3. April 1919 ist damit aber Schluss.

Doch wie ernst gemeint ist dieses Gesetz mehr als 100 Jahre nach seiner Einführung? Riskiert man mit einem erfundenen Adelstitel, den man öffentlich verwendet, eine Strafe? Und sind von früher hergeleitete Adelstitel vielleicht doch noch erlaubt?

Historische Strafen und ihre Gültigkeit heute

„Paragraf zwei des Adelsaufhebungsgesetzes regelt die Strafe, die bei der rechtswidrigen Verwendung von Adelsprädikaten verhängt werden darf. Das Kuriose daran ist, dass die Strafe im Originaltext des Gesetzes mit höchstens 20.000 Kronen oder einem halben Jahr Freiheitsstrafe bemessen ist – und seitdem keine Novellierung durchgeführt wurde“, sagt der Grazer Rechtsanwalt Stefan Schoeller.

Diese Kuriosität hat zur Folge: „Das Führen eines Adelshinweises ist zwar grundsätzlich verboten, die zu erwartenden Geldstrafen sind aber völlig wirkungslos, weil es Kronen in unserer Währung nicht gibt – sodass nur der unbelehrbare Wiederholungstäter eine mögliche Haftstrafe fürchten müsste.“

Tatsächlich gab es im Jahr 2019 eine Verurteilung des Herrn Karl Habsburg-Lothringen, weil dieser seinen Internetauftritt mit der Domain „karlvonhabsburg.at“ versehen hatte. „Er wurde dafür in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 70 Euro verurteilt. Der von ihm angerufene Verfassungsgerichtshof sprach schließlich aber aus, dass Herr Habsburg zwar offiziell verurteilt wurde, jedoch nicht zu einer Geldstrafe, da diese als nicht zeitgemäß betrachtet wurde – weil die Strafe nie angehoben wurde und eben auf Kronen lautete“, erklärt Schoeller.

Kreative Wege zum Adelstitel – oder doch nicht?

Es gibt auch seltsame Geschäftsmodelle, die etwa vorsehen, dass man in Schottland einen Quadratmeter Grund kauft, um sich dann „Earl“ oder „Lord“ nennen zu dürfen. Schoeller hält davon wenig: „Aus meiner Sicht hat das keine Rechtswirkung, das ist eine Spaßaktion.“

Anders ist der Sachverhalt bei Beispielen wie dem deutschen „Prinzen von Anhalt“, der durch seine hohe Webpräsenz auffällt. Hier kam ein deutscher Staatsbürger durch Adoption seitens einer adeligen Person zu seinem Titel. Warum das in Deutschland legitim ist?

„Im Zuge der Weimarer Reichsverfassung am 14. August 1919 wurden der Titel des Adels und die damit verbundenen Vorrechte zwar abgeschafft, dem Adel wurde jedoch das Privileg zugestanden, den ehemaligen Titel als Namenszusatz zum Familiennamen zu führen“, so Schoeller.

Und in Österreich?

Ein deutscher Staatsbürger, der rechtmäßig – also auch durch Adoption – sein Adelsprädikat im Nachnamen trägt, darf damit auch in Österreich auftreten – solange er Deutscher bleibt.

Österreicher*innen, die nun ebenfalls mit einer Adoption liebäugeln, um sich einen Adelstitel zu sichern, muss der Jurist allerdings enttäuschen: „Der Verwendung eines solchen durch Adoption erworbenen Titels in der Öffentlichkeit steht wieder das Adelsaufhebungsgesetz im Wege.“

In österreichischen Adelskreisen führt eine Adoption jedoch oft zu bekannten Doppelnamen. „Hier hat zum Beispiel ein Familienoberhaupt, das seinen Familienstrang vor dem Aussterben bewahren möchte, jemanden aus einer anderen Adelsfamilie adoptiert. Dies bringt die Führung des Doppelnamens mit sich“, erklärt Schoeller.

Kleine Zeitung, 20. September 2022
Daniela Bachal

Frage & Antwort: Welche Kritiken sich Unternehmen gefallen lassen müssen und wann eine Ein-Stern-Bewertung rechtswidrig ist.

1. Wie lässt sich anschaulich erklären, was eine unzulässige Online-Bewertung ist?

Antwort: Der Grazer Rechtsanwalt Stefan Schoeller gibt ein Beispiel:

„Ein geschiedener Mann ruft die Anwältin seiner Ex-Frau nach einer gescheiterten Vergleichsverhandlung im Sekundentakt an, um das Kanzleitelefon zu blockieren. Danach gibt er auf Google eine Ein-Stern-Bewertung ab und schreibt dazu: ‚Meine Anrufe werden ignoriert und meine Nummer wurde gesperrt. Somit ist die Rechtsanwaltskanzlei mit meiner Nummer nicht erreichbar.‘“

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat diese Online-Bewertung als kreditschädigend nach Paragraf 1330 ABGB beurteilt. Der Anrufer verlor den gegen ihn von der Anwältin eingeleiteten Unterlassungsprozess, da nicht erkennbar war, warum seine Anrufe gesperrt wurden.

2. Wo steht im Gesetz, was eine zulässige Bewertung ist?

Antwort: Die Grenzen der Zulässigkeit ergeben sich aus Paragraf 1330 ABGB, der Ehrenbeleidigungen und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen regelt.

Laut Schoeller gibt es keinen Unterschied zwischen Äußerungen im echten Leben und in der digitalen Welt.

  • Bewertungen zu Unfreundlichkeit oder Unpünktlichkeit sind zulässig.
  • Der Vorwurf eines Regelverstoßes, einer Gesetzesverletzung oder einer Berufspflichtverletzung ist eine Tatsachenbehauptung, die der Bewertende vor Gericht beweisen muss.

Ein-Stern-Bewertungen ohne Text sind immer zulässig, da sie als subjektives Werturteil gewertet werden.

3. Welche Handhabe gibt es gegen schlechte Kritiken von Personen, die gar nicht Kunden waren?

Antwort: Rezensionen müssen von tatsächlichen Kunden stammen.

Es ist unzulässig, dass Freunde eines enttäuschten Kunden ebenfalls negative Bewertungen abgeben, um dessen Unmut zu verstärken. Hier kann auf Unterlassung geklagt werden.

Schoeller sagt dazu: „Ich habe solche Fälle schon erfolgreich durchgesetzt.“

4. Muss ein Unternehmen Bewertungen im Internet hinnehmen?

Antwort: Ja, das hat der OGH vor kurzem bestätigt.

Der Fall betraf eine Plattform, auf der Schulen und Lehrer bewertet wurden. Das Höchstgericht stellte klar, dass es in einer demokratischen Gesellschaft möglich sein muss, Kritik zu äußern.

Daher muss sich ein Unternehmen gefallen lassen, dass es im Internet bewertet wird.

5. Muss man bei einer Bewertung seinen echten Namen angeben?

Antwort: Nein, laut OGH gibt es ein gewisses Recht auf Anonymität im Internet.

Allerdings muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden:

  • Bewertete Personen oder Unternehmen haben ein Interesse daran, die Identität ihres Kritikers zu erfahren.
  • Das Recht auf Anonymität im Netz ist jedoch anerkannt.

Laut Schoeller ist noch kein endgültiges Urteil dazu gefällt worden.

6. Muss eine Bewertungsplattform die Daten von Nutzern bekannt geben?

Antwort: Wenn eine Rezension rechtswidrig ist, muss der Plattformbetreiber die Daten des Verfassers herausgeben.

Laut E-Commerce-Gesetz besteht eine Herausgabepflicht, wenn:

  1. Ein überwiegendes Interesse des Verletzten an den Nutzerdaten vorliegt.
  2. Eine erste grobe Prüfung durch den Plattformbetreiber eine mögliche Rechtsverletzung ergibt.

Bei schweren Verstößen, wie der falschen Behauptung, dass jemand eine Straftat begangen hat, oder einer groben üblen Nachrede, ist die Herausgabe der Nutzerdaten wahrscheinlich.

Die Judikatur zu diesen Fällen ist jedoch noch nicht vollständig ausgereift.

7. Wie sind gekaufte oder Gefälligkeitsrezensionen einzuordnen?

Antwort: Gekaufte Bewertungen stammen oft von Personen, die keine echten Kunden sind oder nur deshalb positiv bewerten, weil sie dafür bezahlt werden.

Laut Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) gelten solche Bewertungen als irreführende Geschäftspraktik.

  • Die Arbeiterkammer, der VKI oder Konkurrenzunternehmen können dagegen Unterlassungsklagen einreichen.
  • Verbandsklagen sollen die Verlässlichkeit von Bewertungsportalen erhöhen.

8. Welche Änderungen bringt die nächste UWG-Novelle?

Antwort: Der neue Entwurf nimmt Fake-Bewertungen und Fake-Empfehlungen ins Visier. Diese werden ausdrücklich als irreführende Geschäftspraktik bezeichnet.